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Methoden werden in der Lehre nicht um ihrer selbst willen, sondern zum Erreichen spezifischer Ziele eingesetzt. Dabei kommt es oft auf Details an. Methoden sind keine Rezepte, die standardisiert angewendet werden können und immer zum gleichen Ergebnis führen. Es macht Spaß, neue Methoden auszuprobieren und so Lehrveranstaltungen abwechslungsreich zu gestalten.
Bei der Planung ist es wichtig, vorhandene Methodenbeispiele oder auch eigene Ideen gründlich und in Varianten zu durchdenken und Handlungsalternativen zu kennen. Unbedacht eingesetzt können Lehrmethoden auch negative Effekte haben. Gerade wenn Sie gender- und diversitybezogene Machtverhältnisse wie Rassismus, Sexismus, ökonomische Ausbeutung und Ungleichheit, Migration, Antisemitismus und andere soziale Verhältnisse mitdenken oder explizit thematisieren wollen, bewegen Sie sich in einem Spannungsfeld zwischen klarer Benennung der Verhältnisse und der Gefahr, Menschen in ihrer sozialen Positionierung zu exponieren oder in Opferrollen zu drängen. Für den reflektierten und gekonnten Einsatz von Methoden brauchen Sie entsprechende Kompetenzen und eine realistische Einschätzung dessen, was Sie als Lehrende*r umsetzen können. Mehr zu Weiterbildungsangeboten finden Sie unter Ressourcen.

Um Methoden bewusster auswählen zu können, möchten wir Ihnen einige Fragen zur Überprüfung an die Hand geben.

Die folgenden Leitfragen basieren auf einem Vorschlag von Katharina Debus zur Methodenauswahl und -evaluation (siehe Literatur) und wurden von uns leicht modifiziert und für die Hochschullehre erläutert.
  • Welches Hauptziel wollen Sie mit der Methode erreichen, welche Prozesse anstoßen?

  • Passt die gewählte Methode zu diesem Ziel?

  • Hat die Methode weitere Auswirkungen, die Sie begrüßen oder verhindern möchten?

Beispiele:

Wenn Sie als Hauptziel die Bandbreite und Komplexität eines Themas sichtbar machen wollen und Neugier wecken möchten, können Sie mehrere Arbeitsphasen dazu bewusst kurz halten, ohne zu diesem Zeitpunkt direkt auf alles einzugehen. Wenn Ihr Hauptziel jedoch ist, dass Studierende, die sich noch nicht kennen, kooperativ kreative Lösungen für ein Problem entwickeln, sind Methoden, die auf sehr knappen Arbeitsphasen und strengen zeitlichen Taktungen basieren, weniger geeignet. Eine gute Zusammenarbeit aufzubauen, bei der verschiedene Ideen geäußert, gehört und diskutiert werden können, braucht angemessen Zeit.



  • Für wen ist es leicht, sich an dieser Methode zu beteiligen? Welche Studierenden werden voraussichtlich durch die Methode besonders angesprochen oder unterstützt?

  • Für wen ist es schwieriger? Welche Studierenden werden durch die Methode eher nicht angesprochen oder ausgebremst?

  • Was wird vorausgesetzt?

Beispiele:
  • Erfordert die Methode besondere Konzentration oder Schlagfertigkeit?

  • Ist sie eher kognitiv, text- oder sprachbezogen, arbeitet sie mit Bildern, enthält sie eher praktische Elemente?

  • Erfordert sie bestimmte körperliche Fähigkeiten oder Feinmotorik?

  • Ist Schreiberfahrung wichtig?

  • Ist Sicherheit in bestimmten Sprachen notwendig?

  • Wie zeit- und ressourcenintensiv ist die Methode?

  • Sind (private) technische Geräte oder Kenntnisse ihrer Handhabung dafür notwendig?

  • Erfordert sie bestimmte soziale Fähigkeiten, wie z.B. vor Gruppen sprechen zu können, besonders selbstbewusst zu sein, oder im Team arbeiten zu können?

  • Welche inhaltlichen oder methodologischen Vorkenntnisse sind notwendig, um teilnehmen zu können?

  • Entsteht eine Konkurrenzsituation? Welche negativen Konsequenzen kann das haben?

Seien Sie bei der Beantwortung der Fragen sensibel für unterschiedliche Voraussetzungen und Fähigkeiten von Studierenden. Wenn Sie einzelnen Personen oder Gruppen bestimmte Beteiligungsformen eher zutrauen oder dabei von Hürden ausgehen, reflektieren Sie auch, welche Stereotype Ihre Einschätzung beeinflussen könnten.

Generell trägt Methodenvielfalt dazu bei, dass die Partizipation nicht immer für die gleichen Studierenden einfach oder schwierig ist. Überlegen Sie auch, was Sie tun können, damit alle ähnliche Voraussetzungen zur Partizipation haben, indem Sie bestimmte benötigte Fähigkeiten vorher gemeinsam einüben oder Informationen rechtzeitig zur Verfügung stellen.

  • Werden durch diese Methode möglicherweise schon existierende hierarchische Ausschlüsse reproduziert?

  • Entstehen Gruppendynamiken, bei denen sich bestimmte Rollenverteilungen immer wieder „wie zufällig“ ergeben?

  • Entstehen Führungspositionen und/oder solche, die eher ausführen und umsetzen, und/oder Positionen, die völlig unbeteiligt sind? Wenn ja, wer nimmt die jeweiligen Positionen ein?

Beispiele:

Gruppenarbeiten haben viele Vorteile: Studierende können sich dabei kennenlernen, bei Diskussionen ist mehr Redezeit für die Einzelnen vorhanden, Teilnehmer*innen können voneinander lernen und ihre Kenntnisse in einem etwas weniger beobachteten Raum ausprobieren und erweitern, eingefahrene Rollenverteilungen der Großgruppe können aufgebrochen werden.
In der Kleingruppe entstehen zugleich neue Rollenverteilungen: Wie wird das Gespräch moderiert? Wie werden Entscheidungen getroffen? Wer schreibt mit, wer achtet auf die Zeit, wer präsentiert die Ergebnisse? Gibt es Studierende, die nicht einbezogen, oder sogar aktiv ausgegrenzt werden? Unterschiedliche Aufgaben der Gruppenarbeit sind dabei oft nicht gleich anerkannt. Sie führen auch zu unterschiedlichen Zuschreibungen von Kompetenz. Dadurch entsteht eine Hierarchisierung.

Mit diesen Dynamiken kann auf verschiedene Art und Weisen umgegangen werden:

  • Zum einen können Sie bereits bei der Gruppenaufteilung bewusst auf mögliche Gruppendynamiken achten.

  • Ermutigen Sie die Studierenden, auch aufmerksam für Rollenverteilungen zu sein, so dass alle Gruppenmitglieder die Möglichkeit haben, eigene Lösungswege und Ideen in die Gruppe einzubringen.

  • Stellen Sie detaillierte Arbeitsanweisungen zur Verfügung, bei denen beispielsweise ein Teil der Aufgabe darin besteht, dass alle Teilnehmer*innen Ideen vorstellen, die zunächst nicht kommentiert oder bewertet werden, und diese anschließend diskutiert werden. Geben Sie vor, dass eine Ergebnispräsentation durch mehrere Gruppenmitglieder erfolgt, und von den verbliebenen Mitgliedern ergänzt werden kann. Fordern Sie dazu auf, Aufgaben wie das Protokollieren, Visualisieren oder Zeitmanagement reihum zu übernehmen.

  • Geben Sie den Teilnehmenden Möglichkeiten für Feedback über die Arbeitssituation und werten Sie die Rückmeldungen gender- und diversitybewusst aus.

  • Läuft die Methode Gefahr, gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse und damit verbundene Stereotype oder Benachteiligungen zu reproduzieren?

Beispiele:
  • Sieht die Methode Tätigkeiten vor, die beispielsweise Rollstuhlfahrer*innen nicht ohne Unterstützung anderer durchführen können?

  • Entstehen Kosten, die zu Ausschlüssen von Studierenden führen können?

  • Erfolgt durch Fremdzuschreibungen eine Einteilung in bestimmte Gruppen z.B. nach Herkunft oder in die Kategorien männlich/weiblich?

  • Verwenden Sie evtl. Fallbeispiele, die Frauen und Männer ausschließlich in stereotypen, hierarchisierten Rollen darstellen, wie z.B. bei dem Problem im Bereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung, das häufig „Sekretärinnen-Problem“ genannt wird?

  • Riskiert die Methode körperliche oder psychische Verletzungen oder Kränkungen?

  • Besteht die Gefahr der (Re)Traumatisierung?

  • Werden Teilnehmer*innen bloßgestellt?

  • Besteht die Gefahr, dass die Intimsphäre von Teilnehmer*innen verletzt wird?

  • Werden persönliche Daten unzureichend geschützt?

In der Hochschullehre müssen Sie – auch wenn die Sicherheit und Gesundheit der Studierenden nicht in Gefahr ist – in besonderem Maße vorsichtig mit persönlichen Informationen und Daten umgehen. Ihre Aufgabe ist es nicht nur, Lernprozesse zu begleiten, Sie bewerten die Studierenden auch und sollten daher mit Bedacht entscheiden, was thematisiert werden soll und was Sie als Lehrende*r besser nicht wissen sollten, um fair bleiben zu können.

  • Was sind die Stärken der Methode?
  • Wer kann welche Kompetenzen trainieren?
  • Wer kann die Lerninhalte wie anwenden?
Beispiel:

Bei einer Methode zu  Diskriminierung im Hochschulalltag lernen unterschiedliche Studierende vielleicht unterschiedliche Dinge: Manche erkennen dadurch, dass sie selbst in einem Referat diskriminierende Begriffe benutzt haben oder nehmen zum ersten mal ihre Privilegien wahr. Andere Studierende erleben eine Entlastung, weil sie ihre eigenen Diskriminierungserfahrungen mit Hilfe der wissenschaftlichen Perspektive zukünftig benennen können. Und wieder andere beobachten aufmerksam, wie die Lehrperson damit umgeht, wenn Studierenden bei der Auseinandersetzung mit Diskriminierung abwehrend reagieren.

…können Sie die Methode gender- und diversitätsbewusst so umgestalten oder abwandeln, dass Sie die oben gestellten Fragen anschließend mit „Nein“ beantworten können?

  • Sie könnten versuchen, bestimmte Risiken zu mindern oder Rückzugsmöglichkeiten anbieten.

  • Sie könnten die Teilnahme an der Methode grundsätzlich als freiwillig kennzeichnen.

  • Sie könnten nicht-intendierte Effekte im Vorhinein bedenken und versuchen, diese zu verhindern oder abzumildern.

  • Sie könnten auftretende Probleme offen thematisieren.

  • Sie könnten die Methode so gestalten, dass Einzelne geschützt bzw. nicht exponiert werden.

  • Sie könnten die Gruppe auf gender- und diversitätsbewusste Weise temporär aufteilen.

  • Sie könnten Sie sich ggf. Unterstützung oder Hilfe für bestimmte Aspekte hinzuholen.

oder auf die Methode verzichten und eine andere, angemessenere Methode auswählen.

Hinweis: Als Lehrende*r an der Hochschule befinden Sie sich in der schwierigen Situation, einerseits einen Lernprozess zu begleiten, indem Sie Input geben, moderieren und vielleicht auch Gruppenprozesse unter Gender- und Diversityaspekten steuern und besprechen, und zugleich die Leistungen von Studierenden bewerten müssen. Dieser Rollenkonflikt lässt sich nicht auflösen. Eine klare Haltung und der Austausch mit anderen Lehrenden helfen, besonders komplizierte Situationen zu entschlüsseln und Handlungsoptionen zu finden. Es gilt, die Waage zwischen Experimentierfreude und Vorsicht zu halten. Wir möchten auch hier nochmal daran erinnern, dass Fehlerfreundlichkeit auch für Lehrende gilt: die perfekte Methode gibt es nicht!