Berufsfeldbezogene Fragen von Gender und Diversity
Die Auseinandersetzung mit der Professionsgeschichte bezieht sich auf die berufliche Ausübung von Tätigkeiten, auf die das Studium vorbereiten soll, so wie auf Übergänge z.B. zwischen Ausbildung und Beruf. Es sollten sowohl historische Entstehungs- und Entwicklungsverläufe als auch aktuelle Rahmenbedingungen und Trends berücksichtigt werden. Hier können in der Lehre Aspekte auf der individuellen, institutionellen und gesellschaftlichen Ebene analysiert werden, z.B. anhand folgender Fragen:
-
Welche formellen und informellen Regelungen des Berufseinstiegs gibt es und was sind deren gender- und diversitätsbezogenen Auswirkungen?
-
Welche Geschichte haben Berufe und Tätigkeiten oder die Bezeichnungen, die mit dem Fachgebiet verbunden sind?
-
Welche Rolle spielten bekannte und unbekannte Angehörige diskriminierter gesellschaftlicher Gruppen darin?
-
Gibt es Hierarchisierungen von Fachgebieten und Tätigkeitsfeldern, die mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen verbunden sind? Gibt es z.B. „harte“ und „weiche“ Bereiche?
-
Welche Tätigkeiten und Kompetenzen sind für die Profession zentral? Wem werden benötigte Fähigkeiten eher zu-, wem abgesprochen?
-
Mit wem wird professionell interagiert und kommuniziert? Wie können unterschiedliche Lebensrealitäten dieser Personen berücksichtigt werden? Gibt es Vorurteile und Stereotype, die wirksam werden könnten?
-
Welche Ungleichheiten sind auf dem fachspezifischen Arbeitsmarkt innerhalb und außerhalb der Hochschule entlang von Geschlechterverhältnissen, Migrationserfahrungen, BeHinderungs- und anderen Ungleichheitsverhältnissen zu beobachten? Welche Konsequenzen lassen sich daraus für eine Organisations- und Personalpolitik ziehen, die diesen Hierarchien entgegenwirkt? Wie lässt sich der Beruf mit unterschiedlichen privaten Lebensentwürfen vereinbaren?
-
Gibt es gender- und diversitätsbezogene Gehaltsunterschiede?
-
Gibt es gender- und diversitätsbezogene Unterschiede in beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten?
Beispiele:
Unter Lehrer*innen gibt es, nachdem dieser Beruf anfangs ausschließlich von Männern ausgeübt werden konnte, mittlerweile einen relativ hohen Frauenanteil. Dieser Anteil ist abhängig von der Schulform und nimmt auf höheren Funktionsstellen, wie z.B. Schulleitungen, wieder deutlich ab. Die Auseinandersetzung mit diesen Geschlechterverhältnissen und deren Bedeutung für Schule und Unterricht ist von hoher Relevanz für die Lehramtsausbildung. Es geht dabei z.B. um eine kritische Diskussion von Stereotypen über Grundschullehrer und Grundschullehrerinnen oder um die Funktion von Role models für Schüler*innen. Die Stiftung Universität Hildesheim bietet Ihren Studierenden seit 2010 an, sich mit diesen berufsfeldbezogenen Fragen auseinanderzusetzen (Hastedt/Lange 2012).
Bei einer Auseinandersetzungen mit der juristischen Professionsgeschichte können Sie die Berufsverbote für Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus thematisieren.
Mehr konkrete Anregungen für einige Disziplinen, wie z.B. Biographien von Wissenschaftler*innen und Netzwerke, finden Sie unter Fachspezifische Zugänge.
Literatur:
Hastedt, Sabine, und Silvia Lange, Hrsg. 2012. Männer und Grundschullehramt. Diskurse, Erkenntnisse, Perspektiven. Bielefeld: VS Verlag für Sozialwissenschaften.