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Handlungsmöglichkeiten aufzeigen statt Opferstatus zuschreiben

Gender- und diversitätsbewusste Lehre hat zum Ziel, bestehende Ungleichheiten und Diskriminierung im Kontext Hochschule zu überwinden. Sich mit Ungleichheiten zu beschäftigen, bringt es mit sich, diese auch zu benennen – nur so kann ihnen an bestimmten Stellen entgegengearbeitet werden. Hier gilt es, eine gute Balance zu finden: Auf der einen Seite soll Diskriminierung benannt werden, z.B. die Unterrepräsentanz von Frauen, People of Colour oder Menschen mit sichtbaren Behinderungen an wichtigen Schaltstellen in Wirtschaft, Politik und in der Hochschule. Auf der anderen Seite sollte dabei nicht der falsche Eindruck entstehen, dass diese Ungleichheiten unveränderlich seien, oder dass Personen, die von Diskriminierung betroffen sind, ein individuelles Defizit hätten oder besondere Hilfestellungen bräuchten. Es geht nicht um besondere Begünstigungen, sondern um Nachteilsausgleich, positive Maßnahmen und den gezielten Abbau von benachteiligenden Strukturen.

Positive Maßnahmen für Einzelne gegen Ungleichheiten – geht das denn? Ja, denn es geht darum, Gleichberechtigung zu verwirklichen. Grundlage dafür bietet der Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes. Dort heißt es: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Das AGG verbietet Diskriminierung auf Grundlage „der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“. Nach AGG §5 sind positive Maßnahmen ausdrücklich erlaubt.

So „ist eine unterschiedliche Behandlung auch zulässig, wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile […] verhindert oder ausgeglichen werden sollen“ (Klose 2010:25). Bei Maßnahmen zur Durchsetzung von Gleichberechtigung und zur Beseitigung von Nachteilen handelt es sich also gerade nicht um besondere individuelle „Vergünstigungen“ oder „Hilfestellungen“, und auch nicht um eine Benachteiligung oder fälschlicherweise so benannte „positive Diskriminierung“ (Boell 2010). Positive Maßnahmen dürfen auch präventiv angewendet werden, mit dem Ziel von „Chancengerechtigkeit, die Hürden aus dem Weg räumen und das Aufstellen weiterer Barrieren verhindern soll“ (Baer 2010: 11/12).

„Frauen zu fördern“, „Menschen mit Migrationshintergrund zu ermutigen, ein Studium aufzunehmen“, „Menschen mit Behinderung Hilfe bei der Erreichbarkeit von Türöffnern“ zur Verfügung zu stellen, Toiletten anzubieten, die unabhängig von vermeintlich eindeutigen Geschlechtszugehörigkeiten genutzt werden können – das alles ist kein Selbstzweck, sondern es geht darum, Abläufe der Hochschule so umzugestalten, dass beispielsweise Frauen die Qualifikationsschritte abschließen können, die sie anstreben; Jugendliche mit Migrationsgeschichte erfahren, dass sie an Hochschulen gewollt sind; Gebäude so geplant werden, dass alle Wege mit und ohne Rollstuhl gut zurückgelegt werden können, und Sanitäranlagen bereitstehen, die von allen benutzt werden können. Menschen, die Diskriminierungen erleben, sind dabei keine stummen Betroffenen, für die großzügig etwas getan werden muss. Sie stellen berechtigte Forderungen und verfügen über Wissen und Handlungsmöglichkeiten.

Die Gesetzlichen Grundlagen für Gleichstellung in Bezug auf Gender und Diversity finden Sie unter Ressourcen.


Literatur und Links:

Baer, Susanne. 2010. Chancen und Risiken Positiver Maßnahmen: Grundprobleme des Antidiskriminierungsrechts. In Positive Maßnahmen. Von Antidiskriminierung zu Diversity. Dossier, Hrsg. Heinrich Böll Stiftung, 11–20.

Klose, Alexander. 2010. Mehr Verbindlichkeit wagen – Positive Pflichten zu Positiven Maßnahmen. In Positive Maßnahmen. Von Antidiskriminierung zu Diversity. Dossier, Hrsg. Heinrich Böll Stiftung, 21–28.

Rahmenstudien- und Prüfungsordnung der FU (RSPO) / § 11 (Nachteilsausgleich).