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Genderbewusste Sprache in der Praxis

Es gibt nicht eine richtige Lösung für gender- und diversitätsbewusste Sprache. Im Folgenden erfahren Sie, worauf Sie achten sollten und lernen verschiedene Möglichkeiten des kreativen Gebrauchs von Sprache kennen, die alle Adressierten benennt. Geschickte und inklusive Formulierungen zu finden, hat auch viel mit Routine zu tun und fällt mit der Zeit immer leichter.

- mit und über Einzelpersonen sprechen

Auf Grundlage des Aussehens oder Vornamens einer Person, können Sie nicht wissen, wie diese angesprochen werden möchte. Auch wenn Sie eine Person beispielsweise als Mann wahrnehmen, kann es sein, dass die Person sich als divers identifiziert oder mit „Frau (Nachname)“ angesprochen wird. Das steht in einem Widerspruch mit der Praxis an Hochschulen, Personen mit „Herr (Nachname)“ bzw. „Frau (Nachname)“ anzusprechen und auch so über Dritte zu sprechen – in der bloßen Annahme, dass die dabei vorgenommene Kategorisierung korrekt sei. 

Das sind keine theoretischen Überlegungen: Für Personen, die regelmäßig falsch adressiert werden, weil sie z. B. weder als „er“ oder „sie“ bezeichnet werden wollen, kann dies eine große Belastung darstellen. 3,3 % der Bevölkerung identifzieren sich als trans*, inter* oder nicht-binär und sind dadurch von struktureller und individueller Diskriminierung betroffen. Sie können zu einer von Respekt und Antidiskriminierung geprägten Organisationskultur beitragen, indem Sie Ihren Umgang mit Sprache überdenken und verändern.

Akzeptieren Sie unbedingt, wenn eine Person Ihnen mitteilt, wie sie angesprochen werden möchte und halten Sie sich konsequent daran. Wenn Sie die Person bislang anders angesprochen haben, ist eine Umgewöhnung nicht immer leicht. Versuchen Sie anfangs, sich beim Sprechen besonders zu konzentrieren oder „üben“ Sie für sich. Sie können auch im Team besprechen, dass sie sich gegenseitig korrigieren, um diese Aufgabe nicht der betroffenen Person zu überlassen. Entschuldigen Sie sich, wenn Sie die Person aus Versehen falsch angesprochen haben. Sprechen Sie mit der Person ab, ob Sie auch anderen (z. B. Personen aus Ihrem Team) die gewünschte Ansprache mitteilen dürfen oder sollen. Teilen Sie nie ohne dringende Notwendigkeit und Rücksprache mit der betroffenen Person einen nicht mehr genutzten Vornamen mit – das ist diskriminierend und unter Umständen rechtlich explizit verboten (Offenbarungsverbot nach § 5 TSG).

Informieren Sie andere, wie Sie selbst gerne angesprochen werden möchten. Sagen Sie beim Kennenlernen nicht nur Ihren Namen, sondern auch Ihr Pronomen oder machen dazu eine Anmerkung in Ihrer E-Mail-Signatur. Damit signalisieren Sie ein Bewusstsein für genderbewusste Sprache und signalisieren Offenheit, Ihnen eine gewünschte Ansprache mitzuteilen.

Beispiel für E-Mail-Signatur:

  • Wie Menschen angesprochen werden möchten, ist weder aus dem Aussehen noch aus dem Namen verlässlich abzuleiten. Gerne können Sie mir mitteilen, wie ich Sie ansprechen soll. Wenn Sie mich ansprechen, verwenden Sie bitte das Pronomen sie/ihr.

Fragen Sie Ihre Gesprächspartner*innen, wie diese angesprochen werden möchten. In der Lehre können Sie in die Vorstellungsrunde die Methoden „Pronomenrunde“ integrieren: Teilen Sie, wenn Sie sich selbst vorstellen, Ihr Pronomen mit (z.B. er, sie, Vorname statt Pronomen) und bitten Sie die Studierenden, auch ihr Pronomen zu nennen.

Wenn Sie über eine andere Person sprechen, verwenden Sie den Vornamen oder Vor- und Nachname statt „er/sie“.

Beispiel:

  • Wie Serkan Aslan eben vorgeschlagen hat

Vereinbaren Sie nach Möglichkeit das sogenannte Hamburger Sie. Es bedeutet, sich zu siezen, aber sich statt „Herr/Frau (Nachname)“ mit Vornamen anzusprechen. Gerade in der Kommunikation mit Studierenden funktioniert diese Variante sehr gut und Sie vermeiden eine vergeschlechtlichte Anrede.

Beispiel:

  • Lamine Strohmeier, könnten Sie bitte die Ergebnisse Ihrer Arbeitsgruppe vorstellen

Die hierarchische Struktur an Hochschulen erschwert bisweilen, neue Routinen der genderbewussten Sprache zu etablieren. Die Verwendung von Vor- und Nachnamen wird beispielsweise manchmal, auch in Kombination mit akademischen Titeln, als zu informell wahrgenommen. Sprechen Sie mit Kolleg*innen über gute Alternativen oder schlagen Sie für das gesamte Team eine Weiterbildung zu genderbewusster Sprache vor, damit Sie nicht alleine verantwortlich sind. 

Durch die gesetzliche Einführung der „dritten Option“ stehen Hochschulen auch in der Verantwortung, diverse Personen gleich zu behandeln und nicht aufgrund des Personenstands zu diskriminieren. Die Freie Universität Berlin hat hier, wie nahezu alle anderen deutschen Hochschulen auch, noch einige Aufgaben zu lösen. 

- mit und über Gruppen von Personen sprechen

Häufig kennen Sie nicht die Geschlechtsidentität aller Personen einer Gruppe. Dennoch können Sie respektvoll und korrekt mit und über diese Personen sprechen, indem Sie aus den folgenden Alternativen jeweils passende Formulierungen auswählen.

Wenn ausschließlich über Frauen oder Männer gesprochen oder geschrieben wird, sollte das auch in der Formulierung zum Ausdruck kommen. 

Beispiele:

  • Unser heutiger Gast ist Professorin der Physik
  • Als Vizepräsidentin begrüße ich Sie ganz herzlich bei dem diesjährigen Empfang für neuberufene Professorinnen. 
  • Übersicht der bisherigen Präsidenten der Freien Universität Berlin

Eine gute und auch textsparsame Möglichkeit geschlechterbewusster Formulierung ist die Verwendung substantivierter Partizipien. Sie ist vor allem im Plural leicht verwendbar. Im Singular empfehlen sich andere Formulierungen.

 Beispiele:

  • Die Universitäts-KiTa steht allen Mitarbeitenden und Studierenden der Universität zur Verfügung.
  • Lehrende können sich jetzt für das Weiterbildungsprogramm im Sommersemester anmelden.
  • Interessierte wenden sich bitte an die Koordinationsstelle.
  • Liebe Teilnehmende des Workshops

Eine andere Möglichkeit, Personen zu bezeichnen, ohne Aussagen über ihre geschlechtliche Zuordnung zu treffen, sind Benennungen der Funktion, in der Personen etwas tun. So bietet es sich an, Erweiterungen wie „-kraft, -hilfe, -person, -ung, -leute“ zu verwenden.

 Beispiele: 

  • Sehr geehrtes Team des Prüfungsbüros
  • [Vorname, Nachname], Mitglied der Auswahlkommission, trat nach der Sitzung vor die Presse.
  • Personen, die sich beworben haben, erhalten umgehend eine Bestätigung.
  • Die Seminarleitung führt eine Redeliste.
  • In diesen Feldern gibt es eine Fülle an qualifizierten Fachleuten.
  • Für die Promotion brauchen Sie zunächst eine geeignete Betreuung.
  • Informationen erhalten Sie bei der Leitung des Dual Career Service.

Viele Menschen wollen oder können sich einer Norm von nur zwei Geschlechtern nicht zuordnen und werden mit Formulierungen wie „Bewerberinnen und Bewerber“ nicht korrekt adressiert. Der Unterstrich (Gender-Gap) bzw. das Sternchen bietet die Möglichkeit, nicht nur Frauen und Männer, sondern auch nicht-binäre, sowie Trans*- und Inter*-Personen sichtbar zu machen, die jenseits von „männlich“ und „weiblich“ existieren. Beide Formen werden mit einem „glottalem Stopp“ gesprochen, einer kurzen Pause dort, wo sich Unterstrich oder Sternchen befinden.

Beispiele:

  • Sehr geehrte Professor*innen
  • Alle teilnehmenden Praktikant_innen erhalten eine Bestätigung.
  • Informationen für Referent*innen 

Umformulierungen oder einleitende Nebensätze können genutzt werden, um eine eindeutige sprachliche Geschlechtszuordnung zu vermeiden. Unpersönliche Pronomen wie „Wer“, „Wenn“, „Alle, die...“, „Diejenigen, die...“ sowie die direkte Anrede und Passivformulierungen können dafür genutzt werden. Auch die Verwendung des Plurals ist in vielen Fällen hilfreich.

Beispiele:

  • Wenn Sie ein Stipendium erhalten, müssen Sie Ihre Leistungsnachweise in jedem Semester vorlegen.
  • Das Dokument wird Ihnen zum Download zur Verfügung gestellt.
  • Ihr Name, Ihre Unterschrift
  • Die Namen aller Personen, die zur Prüfung zugelassen sind, werden öffentlich bekannt gegeben.
  • Herausgegeben von…
Empfehlenswerte Leitfäden zu genderbewusster Sprache
Sprache ist vielfältig – Leitfaden der HU für geschlechtergerechte Sprache (Humboldt-Universität zu Berlin, 2019)
ÜberzeuGENDERe Sprache. Leitfaden für eine geschlechtersensible Sprache (Universität zu Köln, 2020)
Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache
 (Stadt Hannover, 2019)
Geschlechtersensible Sprache – Ein Leitfaden (Technische Universität Berlin, 2020)