Diversitätsbewusste Sprache
Sprachliche Gleichstellung ist nicht nur in Bezug auf Geschlechter anzustreben, sondern auch in Bezug auf andere Kategorien von Diversität und Ungleichheit, die in der Universität eine Rolle spielen. Auch hier ist es sinnvoll, wertschätzend und inklusiv zu formulieren und diskriminierende Formulierungen oder Begriffe mit kolonialer oder NS-Geschichte zu vermeiden.
Hier finden Sie eine Auswahl an Möglichkeiten, in der eigenen Sprache und bei der Auswahl von (Lehr-)Texten diversitätsbewusst vorzugehen:
Wenn Sie unschlüssig sind, welche Bezeichnungen zur Beschreibung von Menschen oder sozialen Gruppen geeignet sind, verwenden Sie im Zweifel Selbstbezeichnungen, wie sie von Vereinen und Interessengruppen empfohlen werden, statt Fremdbezeichnungen.
Viele Interessengruppen und Verbände bieten Leitfäden und Ratgeber zum Umgang mit Sprache an, etwa in Bezug auf Rassismus, BeHinderung, geschlechtliche Identität und Trans*. Sie geben Aufschluss über Hintergründe und gebräuchliche Selbstbezeichnungen und enthalten weitere Hinweise zum diversitätssensiblen Umgang mit Sprache.
Literatur:
Projekt Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel (LEO) beim Amt für Weiterbildung und Kultur des Bezirksamtes Mitte von Berlin und Elina Marmer. Hg. Autor*innenkollektiv. 2015. Rassismuskritischer Leitfaden. Berlin.
Redaktion Leidmedien. 2012. Leidfaden.
AntiDiskriminierungsBüro Köln, Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V. Hg. Nacro, Sanata, Larissa Fuhrmann, und Ilka Simon. 2013. Leitfaden für einen rassismuskritischen Sprachgebrauch. Handreichung für Journalist_innen.
Triq - TransInterQueer e.V. Hg. 2014. Trans* in den Medien. Informationen für Journalist_innen.
Neue Deutsche Medienmacher. 2018. Glossar.
Beim Sprechen und Schreiben über marginalisierte Gruppen kommt es vor, dass ein Merkmal sprachlich in den Vordergrund gerückt wird und so unterschiedliche Facetten von Personen und auch die Heterogenität der Personengruppe vernachlässigt werden. Deshalb ist es mittlerweile üblicher, von ‚Menschen mit Behinderung‘ statt von ‚Behinderten‘ zu sprechen. Die auch in dieser Toolbox gewählte Schreibweise ‚BeHinderung‘ mit einem Großbuchstaben in der Mitte des Worts soll sichtbar machen, dass Menschen aufgrund gesellschaftlicher Hürden weniger partizipieren können, also beHindert werden.
Handlungsfähigkeit und Kompetenzen von Menschen können sprachlich stärker in den Mittelpunkt gerückt werden, indem Sie Formulierungen vermeiden, die BeHinderung als Schicksal darstellen. Vermeiden Sie „Trotzdem“-Formulierungen und Opfer-Zuschreibungen. Thematisieren Sie BeHinderung als einen Aspekt von Personen, nicht als persönlichkeitsbestimmend.
Literatur:
Redaktion Leidmedien. 2012. Leidfaden.
Nicht nur in Bezug auf geschlechterbewusste Sprache bedeutet eine auf den ersten Blick neutrale, unspezifische Darstellung oft, dass die Beiträge von marginalisierten Personen oder Gruppen oder Ursachen für Diskriminierung unsichtbar werden. Benennen Sie daher handelnde Subjekte, Interessen und existierende Konflikte sprachlich eindeutig.
Beispiele:
- „Marie Curie entdeckte die Elemente Polonium und Radium" statt „1898 wurde das Element Polonium entdeckt“.
- „In den Kolonialgebieten erhoben sich Herero und Nama 1904 zu anti-kolonialen Widerstandskämpfen“ statt „in den Kolonien lieferten sich Deutsche und Einheimische kriegerische Auseinandersetzungen“.
- Menschen mussten Deutschland nach 1933 nicht deshalb verlassen, „weil sie Juden waren“, sondern „wegen des für sie immer gefährlicher werdenden Antisemitismus“. (Lebert/Zeug/Hornscheidt 2016)
Machen Sie auch in Literaturverzeichnissen die Urheber*innenschaft von Texten deutlich, indem Sie die Vornamen der Autor*innen ausschreiben.
Literatur:
AntiDiskriminierungsBüro Köln, Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V., Hrsg., Nacro, Sanata, Larissa Fuhrmann, und Ilka Simon. 2013. Leitfaden für einen rassismuskritischen Sprachgebrauch. Handreichung für Journalist_innen.
Lebert, Andreas, und Katrin Zeug. 20.07.2016. Lann Hornscheidt: „Es ist eine Frage der Zeit, bis wir bei der Geburt kein Geschlecht mehr zugewiesen bekommen“. Die Zeit.
Projekt Lern- und Erinnerungsort Afrikanisches Viertel (LEO) beim Amt für Weiterbildung und Kultur des Bezirksamtes Mitte von Berlin und Elina Marmer, Hrsg., Autor*innenkollektiv. 2015. Rassismuskritischer Leitfaden. Berlin.
Begriffe verändern sich im Laufe der Zeit. Einige sprachliche Wendungen, die vor ein paar Jahren noch viele Menschen verwendeten, sind nun allgemein als diskriminierend anerkannt und können vermieden werden. Dazu gehören unter anderem Verniedlichungen, Klischees, exotisierende und diskriminierende Begriffe. Es gibt für viele diskriminierende Begriffe gute sprachliche Alternativen. Diskriminierende Ideen und unnötige Phrasen können aber auch ersatzlos weggelassen werden.
Überlegen Sie, was Sie genau ausdrücken wollen, und welche Formulierungen Sie dafür brauchen.
Beispiele für Formulierungen, mit denen Sie Handlungsfähigkeit betonen und Menschen nicht herabsetzen, könnten sein:
„mutig und verantwortungsbewusst handeln“ statt „seinen Mann stehen“,
„Reinigungskraft“ statt „Putze“,
„Menschen, die Rollstühle benutzen“ oder „Rollstuhlfahrer*innen“ statt „Menschen, die an den Rollstuhl gefesselt sind“,
„Geflüchtete“ statt „Flüchtlinge“.
Statt unspezifisch den ganzen afrikanischen Kontinent aufzurufen, könnten Sie zutreffender konkrete afrikanische Staaten benennen – ‚Afrika‘ ist kein Land.
Die Operationen, die manche Trans*personen durchführen lassen, werden „geschlechtsangleichende Operationen“ genannt.
Phrasen wie „das schöne Geschlecht“, „das starke Geschlecht“ oder „der schwarze Kontinent“ können ersatzlos gestrichen werden.
Literatur:
Arndt, Susan, Hrsg. 2006. AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland. Studienausgabe. Münster: Unrast-Verlag. Link zum Inhaltsverzeichnis.
Arndt, Susan, und Lann Hornscheidt, Hrsg. 2009. Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 2. Aufl. Münster: Unrast Verlag. Link zum Inhaltsverzeichnis.
Arndt, Susan, und Nadja Ofuatey- Alazard, Hrsg. 2011. Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. 1. Aufl. Münster: Unrast-Verlag. Link zum Inhaltsverzeichnis.
Initiative intersektionale Pädagogik. o.J. Respect Guide. Leitfaden für einen respektvollen Umgang miteinander.
Triq - TransInterQueer e.V., und Leo Yannick Wild, Hrsg. 2014. Trans* in den Medien. Informationen für Journalist_innen.
Neue Deutsche Medienmacher. 2018. Glossar.
Sprache selbst kann eine Barriere sein, wenn die verwendete Sprache nicht die Erstsprache ist oder eine BeHinderung eine bestimmte Nutzung von Sprache erfordert. Auch hier sind generalisierte Vorschläge schwierig, da Bedarf und Handlungsspielräume individuell unterschiedlich sind. Einiges lässt sich jedoch in allen Lehrveranstaltungen gut umsetzen:
- Visualisieren Sie mündliche Informationen und versprachlichen Sie Grafiken oder Bilder.
- Fragen Sie Ihre Studierenden, ob Sie gut zu verstehen sind und bitten Sie darum, Sie darauf hinzuweisen, wenn Sie lauter oder langsamer sprechen sollen.
- Bieten Sie unterschiedliche Möglichkeiten der Beteiligung an, die über das Sprechen vor allen Teilnehmenden hinausgehen. Mehr hier: Didaktische Prinzipien.
- Signalisieren Sie auch explizit Offenheit für die Nutzung von FM-Übertragung oder Nutzung anderer technischer Hilfsmittel und bieten dazu ggf. einen Sprechstundentermin an. Informationen zum Angebot an der Freien Universität Berlin finden Sie hier.
In der Wissenschaft wird eine Fachsprache genutzt und ein wichtiges Ziel des Studiums ist es, sich diese anzueignen und Fachbegriffe korrekt zu verwenden. Versuchen Sie dennoch, insbesondere beim Sprechen, unnötig lange Sätze zu vermeiden, wichtige Punkte zu wiederholen und Inhalte auch in unkomplizierter Sprache zu vermitteln. Auch wenn es um organisatorische Prozesse an der Hochschule geht, wie Anmeldungs- oder Prüfungsverfahren, ist das für viele Studierende hilfreich und reduziert Nachfragen und Missverständnisse.
Literatur:
Deutsches Studentenwerk, 2013. Informationen für Studieninteressierte und Studierende mit Behinderungen und chronischen Krankheiten.
Webseite des Netzwerks Leichte Sprache.
Di³ im Rahmen des Programms „Starker Start ins Studium“ und Studien-Service-Center der Goethe-Universität Frankfurt am Main, Hrsg. 2014: Barrierefreies Studium. Leitfaden für Lehrende der Goethe-Universität Frankfurt am Main.